Die Eigenschaften der die Schichtungen des Felsens auf dem die Stadt ruht ausmachenden Gesteine, waren ausschlaggebend für die Umweltbedingungen die die Bewohner veranlassten im Untergrund so ausdauernd zu graben, dass sich heute ein unglaubliches Labyrinth von Höhlen, Brunnenschächten, Zisternen und Gängen, Orvieto Underground genannt, uns darbietet.

Von Weitem gesehen, zum Beispiel von der Autobahn, oder längs der Windungen der Staatsstrasse 71, von Viterbo kommend, zeigt sich Orvieto auf ganz eigentümliche Weise, und sofort, dank des ausserordentlichen Anblickes, wirkt es sehr einnehmend. Am Südende eines weiten Tales, eingeschlossen von Hügeln, die mit Wäldern und geordneten Weinbergreihen bedeckt sind, steht eine vollkommen abgeschiedene Erhöhung, deren Hänge sich sanft vom Talgrund erheben. Auf dem Gipfel, als hätte ein mythologischer Gigant in dort hingewuchtet, ragt ein riesiger Block aus Tuffstein, dessen senkrechte, glatte und hohe Wände die Stadt stützen, die ihrerseits, mit ihren Dächern, Türmen und Kuppeln, die fast waagrechte Oberfläche dieses unerwarteten Plateaus unterbricht und belebt.

Die Schichten dieses beeindruckenden Komplexes sind recht vielfältig, jedoch ist es möglich, von unten beginnend, sie vereinfachend unter nur drei Arten zusammenzufassen:

  • der Hügel, aus Lehm bestehend, ein ehemaliger Meeresboden aus dem Pliozän, hier vor der Erhebung der Apenninkette entstanden;
  • die "Reihe des Albornoz", dünn und nicht überall sichtbar, aus Fluss- und Seeablagerungen stammend, mit vulkanischen Schichtungen vermischt; diese Schicht erhielt ihre Bezeichnung vom Namen der durch Kardinal Albornoz im 14. Jahrhundert befohlenen Festung, da sie in deren Nähe am stärksten hervortritt und sichtbar ist;
  • der Felsen streng genommen; er entstand im Laufe von ungefähr 300.000 Jahren als Produkt der letzten Ausbrüche der Vulkane Monti Volsini, und besteht aus einem steinartigen, schwarze Schlacke enthaltenden Tuff, der wiederum einen echten, gelb-orangefarbigen Tuff beinhaltet, auch dieser steinartig und stark mit Bimsstein gesprenkelt; und aus einem äusserst bröckeligen, graufarbigen Gestein welches, allerdings fälschlich, als Puzzolanerde bezeichnet wird.

Diese eigentümliche Schichtung beeinflusst die unterirdische Wasserzirkulation, und so beginnt man zu ahnen, warum die Bewohner des Felsens im Untergrund der Stadt so aktiv waren, und ungefähr 1200 Grotten erschufen

Sowohl der Tuff als auch die sogenannte Puzzolanerde sind beide, wegen ihrer Porosität und der grossen Anzahl von Rupturen, durchaus wasserdurchlässig, so dass das Regenwasser von der Felsoberfläche aus bis auf die Lehmschicht des Pliozän ununterbrochen sickert und fliesst, ohne auf irgendwelche Hindernisse zu stossen.

Auf der Lehmschicht beginnt dann der Weiterfluss auf waagrechter Linie, was schliesslich dazu führt, dass sich um den grossen Tufffelsen, genau an der Verbindungsstelle aus Tuff und Lehm, am Fusse des Felsens eben, ein ganzer Ring von Wasserquellen gebildet hat. Deshalb befindet sich immer schon das der Stadt notwendige Wasser ausserhalb derselben, ausserhalb sogar der senkrechten Felswände, die allerdings als schützende, unbezwingliche Stadtmauren geschätzt wurden. Leicht kann man sich also vorstellen, dass es immer schon mühselig, im Falle einer Belagerung jedoch äusserst gefährlich war, sich mit diesem Wasser zu versorgen - im letzten Fall war es in Wirklichkeit unmöglich aus der Stadt und zu den Quellen, die sich ja mittlerweile in Feindeshand befanden, zu gelangen. Höchstwahrscheinlich lag hier der Antrieb zum Beginn der Grabarbeiten, d.h. die absolute Notwendigkeit der Wasserversorgung der Stadt zwang die Bewohner zu den ersten Schürfarbeiten. Und so begann man komplexe Regenwasserzisternen zu graben; und auch unheimlich tiefe Brunnenschächte, welche durch die porösen Schichten hindurch bis auf den, das Grundwasser haltenden, Lehm stiessen.

Mit diesen Grotten zusammen, die eben der Wassersuche und Wasseraufbewahrung dienten, wurden auch all die anderen erschaffen, die einer Vielzahl von Zwecken dienten. Auch für diese wirkte sich die geologische Struktur des Felsens vorteilhaft aus, denn wieder waren es die Lockerheit der Puzzolanerde und die Weichheit des Tuffs, die es ermöglichten den orvietanischen Untergrund aufs Beste zu nutzen, und so diesen überraschenden "Doppelgänger" der Stadt, "Orvieto Underground" eben, zu erschaffen.